Schweizerisches Bundesgericht entscheidet über Umfang der Richterkompetenz im Schiedsverfahren

Eine Besonderheit des schweizerischen Zivilprozessrechts besteht darin, dass dem eigentlichen Klageverfahren in der Schweiz ein Schlichtungsversuch vorausgeht (Art. 197 ZPO Schweiz). Diese gerichtliche Instanz versucht in einer eher formlos gehaltenen Verhandlung, eine gütliche und einvernehmliche Regelung der streitenden Parteien zu erreichen (Art. 201 Abs. 1 ZPO Schweiz).

Zu beachten ist, dass der Schlichtungsversuch beim Friedensrichter, von einigen Ausnahmen abgesehen, zwingend vorgeschrieben ist. Jeder Zivilprozess in der Schweiz, der nicht bereits im Rahmen des Schlichtungsverfahrens beendet werden kann, besteht somit schon auf Kantonsebene aus mindestens zwei Gerichtsverfahren.

Diese zivilprozessuale Besonderheit führt im Ergebnis dazu, dass Zivilprozessverfahren in der Schweiz sachlich komplexer, zeitlich aufwändiger und damit auch deutlich teuer werden. Dies gilt insbesondere für Ausländer, die im Rahmen eines Schieds- und anschließenden Klageverfahrens entweder zweimal persönlich in der Schweiz zum Gerichtstermin erscheinen oder sich vor Gericht durch einen Anwalt vertreten lassen müssen. Die Anwaltskosten eines Schlichtungsverfahrens werden dabei auch der am Ende obsiegenden Partei regelmäßig nicht erstattet. In diesem Kontext fällt auch ins Gewicht, dass Anwalts- und Gerichtskosten in der Schweiz deutlich höher sind als in Deutschland.

Auch unter Fachleuten strittig war bisher die Frage, ob der Friedensrichter am Ende des Schlichtungsverfahrens immer eine Entscheidung im Rahmen seiner Kompetenzen treffen muss. Der Wortlaut des Gesetzes sieht nämlich vor, dass der Friedensrichter in vermögensrechtlichen Angelegenheit bis zu einem Streitwert von 2.000 Schweizer Franken/CHF auf Antrag des Klägers eine Entscheidung treffen kann. Insbesondere im schweizerischen Schrifttum wird vielfach die Auffassung vertreten, dass bei vermögensrechtlichen Streitwerten bis zu 2.000 CHF der Friedensrichter auf einen entsprechenden Antrag hin eine Entscheidung zu treffen hat, mithin in dieser Konstellation nicht nur vermittelnd tätig werden darf.

Das schweizerische Bundesgericht hat sich jetzt gegen diese verbreitete Rechtsauffassung entschieden. In dem genannten Fall (BGE 142 III 638ff) stellte das oberste schweizerische Gericht im Herbst des Jahres 2017 fest, dass die Schlichtungsbehörde grundsätzlich nicht verpflichtet sei, entsprechend dem Antrag der klagenden Partei eine Entscheidung zu fällen. Nach Auffassung des Gerichts billige die Schweizerische Zivilprozessordnung dem Friedenrichter hier ein Ermessen zu. Im Rahmen dieses Ermessensspielraums könne der Friedensrichter entscheiden oder aber auch von einer Entscheidung absehen.

Laut schweizerischem Bundesgericht ergebe sich dies zum einen bereits aus dem Wortlaut der Artikel 208 bis 212 ZPO Schweiz. Die im Gesetz enthaltene Aufzählung der verschiedenen Möglichkeiten, ein Schlichtungsgesuch zu beenden (Einigung der Parteien, Klagebewilligung, Urteilsvorschlag und Entscheidung), lege nahe, dass der Friedensrichter nicht von vornherein auf eine dieser Alternativen festgelegt sei. Zwar werde die Schlichtungsbehörde, wenn sie eine Entscheidung trifft, gerichtlich tätig, weshalb auch dem Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichter der Charakter eines gerichtlichen Verfahrens zukomme. Gleichwohl lasse sich aus dem Sinn und Zweck des Artikel 212 ZPO Schweiz jedoch nicht ableiten, dass die Schlichtungsbehörde verpflichtet sei, eine Entscheidung zu treffen. Vielmehr ergebe sich aus den früheren kantonalen Regelungen zum Schiedsverfahren, dass dem Friedenrichter lediglich eine gesetzliche Entscheidungskompetenz eingeräumt wurde, einfachere Fälle mit kleinem Streitwert selbst zu erledigen.