Leoni-Restrukturierung nach dem neuen StaRUG-Verfahren durchgeführt – Neuregelung der Sanierungsmodalitäten nach Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1023 in Deutschland und Spanien

Der Automobilzulieferer Leoni AG aus Nürnberg wird vom österreichischen Investor Stefan Pierer übernommen.

Es ist beabsichtigt, das Unternehmen von der Börse zu nehmen (Delisting). Die Leoni-Aktionäre dürften am Ende komplett ausfallen. Die Gläubiger verzichten teilweise auf ihre Forderungen. Der Investor Pierer soll 150 Mio. EUR als Bareinlage in das Unternehmen einzahlen.
Auf diese Weise wird das Unternehmen entschuldet und gleichzeitig mit Liquidität für operative Aktivitäten versorgt.

Dabei erfolgt die Sanierung von Leoni nach dem erst vor kurzem in Kraft getretenenen StaRUG-Verfahren, mit dem präventive Sanierungungen im Vorfeld einer möglichen Insolvenz ermöglicht werden.

Normalerweise finden StaRUG-Verfahren im Verborgenen statt, was für die betroffenen Unternehmenen insbesondere unter Reputationsgesichtspunkten vorteilhaft ist.

In Deutschland ist die Leoni-Restrukturierung der erste der breiten Öffentlichkeit bekannt gewordene StaRUG-Fall, was durch die Größe, wirtschaftliche Bedeutung und Börsennotierung des Unternehmens bedingt ist.
So hat unter anderem das Wirtschaftsmagazin „Wirtschaftswoche“ gerade über die Leoni-Restrukturierung berichtet.

Vereinfacht gesagt läuft das StaRUG-Verfahren wie folgt ab:

Unternehmenseigner, Investoren und Gläubiger schließen unter gerichtlicher Kontrolle einen Restrukturierungsplan ab.

Dabei sind – sofern mindestens 75% der Gläubiger für diesen Restrukturierungsplan zustimmen – Vereinbarungen möglich, bei denen einzelne Gläubiger mit einer ablehnenden Haltung zum Restrukturierungsplan außen vor bleiben.

Dieses StaRUG-Konzept erinnert an das im englischen Recht praktizierte Scheme of Arrangement-Verfahren, das in der Vergangenheit bis zum BREXIT auch in Kontinentaleuropa bei einigen großen, grenzüberschreitenden Restrukturierungen praktiziert wurde.

StaRUG und Scheme of Arrangement-Verfahren ist gemein, dass eine qualifizierte Gläubiger-Mehrheit von mindestens 75% mit der Equity-Seite eine Restrukturierungsvereinbarung schließt, die dann von einem staatlichen Gericht geprüft und bestätigt werden muss. Ein vom Gericht bestätigter Restrukturierungsplan gilt dann für alle Gläubiger.

Die präventive Restrukturierung als Alternative zur Insolvenz findet nunmehr aber nicht nur in Deutschland, sondern in allen EU-Vertragsstaaten statt.

Denn diese waren verpflichtet, die EU-Richtlinie 2019/1023 über präventive Restrukturierungsmaßnahmen ins jeweilige nationale Recht umzusetzen.

Dass es dafür nicht zwingend in jedem EU-Vertragsstaat gleich ein neues Gesetz wie das StaRUG braucht, zeigt die Umsetzung der vorgenannten Restrukturierungs-Richtlinie in Spanien.

Dort wurden primär die bestehenden Vorschriften des spanischen Konkursgesetzes (Ley Concursal) modifziert und ergänzt, um die vorgenannte EU-Richtlinie in Spanien legislativ umzusetzen.

Zusammen mit der seit einigen Jahren geltenden EU-InsVO dürfte die Umsetzung der EU-RL 2019/1023 es ermöglichen, grenzüberschreitende Restrukturierungen in den EU-Staaten zukünftig erfolgreicher zu gestalten.

Zumindest steht Unternehmen, Gläubigern und ‚Restrukturierern‘ nunmehr ein erweitertes Tool-Set zur Verfügung, das vormals nicht vorhandene Handlungsoptionen eröffnet.